Economic Substance Regulations (ESR) und Audits in den VAE: Eine rechtliche Perspektive
September 23, 2025

Einführung
Vor dem Hintergrund des sich stetig entwickelnden regulatorischen Umfelds in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) ist die Compliance mit den Economic Substance Regulations (ESR) für Unternehmen in Niedrig- oder Nullsteuerjurisdiktionen zu einer Notwendigkeit geworden. Die ESR wurden erstmals durch die Cabinet Resolution Nr. 31 von 2019 eingeführt und später angepasst, um die VAE enger mit internationalen Standards zu verzahnen. Trotz jüngster Änderungen bleibt die Anforderung, substanzielle Präsenz und Compliance nachzuweisen – insbesondere für Unternehmen, die während des relevanten ESR-Meldezeitraums tätig waren – unverändert bestehen.
Rechtlicher Kontext der ESR
Die ESR verpflichten VAE-Unternehmen, die bestimmte „Relevante Tätigkeiten“ ausüben, eine ausreichende wirtschaftliche Substanz im Inland nachzuweisen. Damit unterstützen die VAE internationale Initiativen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und schädlichen Steuerpraktiken.
Die ESR wurden in den VAE durch die Cabinet Resolution Nr. 31 von 2019 eingeführt, durch die Cabinet Resolution Nr. 57 von 2020 geändert und durch die Ministerial Decision Nr. 100 von 2020 ergänzt. Die Compliance-Anforderungen gelten verpflichtend für Geschäftsjahre vom 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2022. Auch darüber hinaus bestehen Nachweispflichten für vergangene Jahre, da die FTA (Federal Tax Authority) bis zu sechs Jahre nach dem jeweiligen Zeitraum Audit-Befugnisse hat.
Audits und Prüfungen nach ESR
Die als National Assessing Authority bestimmte FTA ist befugt:
- die Erfüllung des Economic Substance Tests durch Unternehmen zu prüfen,
- zusätzliche Informationen anzufordern,
- formelle Audit-Anordnungen auszusprechen.
Nach Zustellung einer Audit-Mitteilung sind Unternehmen verpflichtet, innerhalb von fünf Arbeitstagen vollständige Unterlagen einzureichen, die ihre relevanten Tätigkeiten und wirtschaftliche Substanz belegen.
Angesichts des strengen Prüfungssystems müssen Unternehmen sicherstellen, dass ihre Unterlagen ihre ESR-Konformität substanziell belegen. Im Folgenden sind die Mindestanforderungen an die Unterlagen aufgeführt, die bei einer Prüfungsmitteilung vorzulegen sind:
- Gewerbelizenzen und Mietverträge für Büroräume
- Gesellschaftsverträge (Memorandum & Articles of Association)
- Mitarbeiterunterlagen (Verträge, Lebensläufe, Emirates IDs, Zeiterfassungen)
- Geprüfte Jahresabschlüsse und Management Accounts
- Detaillierte Berechnungen der Einkünfte aus relevanten Tätigkeiten
- Asset-Register und Nachweise physischer Präsenz in den VAE
- Sitzungsprotokolle und Nachweise über ansässige Direktoren
Neben der finanziellen Dokumentation ist es entscheidend, auch qualitative Elemente wie Management, Mitarbeiteranzahl und Überwachung ausgelagerter Tätigkeiten zu belegen.
Kriterien des Economic Substance Tests
Ein Unternehmen erfüllt den Economic Substance Test, wenn es nachweisen kann:
- die Ausübung einer oder mehrerer relevanter Tätigkeiten,
- dass Leitung und Management dieser Tätigkeiten von den VAE aus erfolgen,
- dass die Einkünfte unmittelbar mit den relevanten Tätigkeiten verknüpft sind,
- die Beschäftigung einer ausreichenden Anzahl lokaler Mitarbeiter und Nutzung physischer Vermögenswerte,
- die Entstehung angemessener Betriebsausgaben in den VAE,
- die Aufsicht und Kontrolle über ausgelagerte einkommensgenerierende Kerntätigkeiten.
Rechtliche Risiken bei Nicht-Compliance
Unternehmen, die gegen die ESR verstoßen, riskieren erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen:
Finanzielle Sanktionen
- Versäumnis der ESR-Mitteilung: AED 20.000 pro Jahr
- Versäumnis des ESR-Berichts: AED 50.000 pro Jahr
- Falsche oder irreführende Angaben: AED 50.000 pro Jahr
- Nichterfüllung des Economic Substance Tests: AED 50.000 im ersten Jahr, bis zu AED 400.000 bei wiederholten Verstößen
Diese Geldbußen gelten pro Verstoß und werden von der Bundessteuerbehörde (FTA) mitgeteilt, die als nationale Bewertungsbehörde fungiert.
Regulatorische und administrative Sanktionen
- Aussetzung oder Entzug von Gewerbelizenzen durch die FTA bei schweren oder wiederholten Verstößen
- Risiko der Löschung aus dem Handelsregister und Verlust der Rechtsfähigkeit
Weitere Folgen
- Reputationsschäden bei Aufsichtsbehörden, Banken und Geschäftspartnern
- Rechtliche Schritte bis hin zu Strafverfahren und möglicher strafrechtlicher Haftung bei vorsätzlicher Falschinformation
Schlussfolgerung
Die Einhaltung der ESR ist weit mehr als eine administrative Formalität – sie ist eine rechtliche Verpflichtung mit erheblichen Konsequenzen. Auch wenn bestimmte Meldepflichten nach 2022 gelockert wurden, müssen Unternehmen, die in den relevanten Zeiträumen tätig waren, weiterhin Nachweise aufbewahren und FTA-Audit-Anfragen unverzüglich beantworten.
Die enge Verbindung zwischen Audit und ESR unterstreicht die Notwendigkeit starker interner Kontrollen, kontinuierlicher rechtlicher Beratung und eines proaktiven Compliance-Ansatzes. Unternehmen sollten insbesondere mögliche Altverpflichtungen im Blick behalten, da die FTA ihre Prüfungs- und Durchsetzungsbefugnisse konsequent wahrnimmt.